Festivali i Këngës 2018

Gestern Abend fand der albanische Vorentscheid zum Eurovision Song Contest statt und sollte uns kurz vor Weihnachten den ersten Act bescheren, den wir dann im kommenden Jahr in Tel Aviv sehen werden. Nach knapp 7 Monaten Durststrecke nach dem Sieg von Netta in Lissabon wurde das dann auch wirklich Zeit. Bisher konnte ich aufgrund von Weihnachten den Vorentscheid nie anschauen. In diesem Jahr wollte ich dann endlich mal meine Unschuld verlieren und alle drei Shows anschauen. Nun die guten Vorsätze waren dann am Donnerstag nach 30 Minuten schon wieder vorbei und ich entschied mich mir doch nur das Finale anzuschauen. Meiner Information nach sollten in allen drei Shows alle Songs in unterschiedlicher Intonierung dargeboten werden und nach drei Acts mit Orchesterbegleitung hatte ich dann leider schon genug. Leider wurden dann doch 6 Acts aussortiert, die ich dann leider im Finale nicht mehr anschauen konnte. Könnte man nicht einfach mal im Voraus den Modus operandi bekannt geben? Nicht alle Zuschauer sind der albanischen Sprache mächtig und auch in den einschlägigen Foren waren kaum Informationen zu bekommen.
Nun gut wie dem auch sei, am Samstag um 20:45 hatte ich mich an den Livestream gesetzt und auf den Anfang der Show gewartet. Und das wurde dann zu einer kleinen Geduldprobe. Ja eine Show kann mal verspätet anfangen, ja ich hatte auch schon von einer 45 minütigen Verspätung beim 2. Halbfinale gelesen, aber könnte man mal irgendwas einblenden dass den wartenden Zuschauer abholt und ihm mitteilt dass es etwas später wird? Oder ganz ketzerisch eine Uhrzeit einblenden, wann man ungefähr mit dem Beginn der Sendung rechnen kann? Nein, das albanische Fernsehen kann das nicht und beschallt die Zuschauer fast eine halbe Stunde mit Trailern ihrer anderen Shows und den obligatorischen aber seltenen Werbespots. Naja macht ja nichts, so hatte ich fast eine halbe Stunde in der ich verzweifelt versuchte das Klötzchenlogo des Fernsehsenders zu entschlüsseln, was mir allerdings nicht wirklich gelang. Auch ein Zeitvertreib. Ach ja es heisst übrigens RTSH. Gut, jetzt wo ich es weiß ist mir etwas unklar warum ich das nicht aus dem Logo herauslesen konnte.

Als es dann endlich los ging war ich dann doch überrascht wie gut der Livestream funktionierte und freute mich auf die Beiträge. Moderiert wurde der Abend von albanischstämmigen Kanadierin Anna Golja und dem mehr als 50 Jahre älterem Vikto Zhusti, der die Show bereits einmal, nämlich in meinem Geburtsjahr 1971 moderierte. Die eher flippige Anna und der eher gediegene Viktor sollten wohl eine Symbiose bilden um sowohl jüngere als auch ältere Zuschauer zu erreichen. Dies klappte allerdings eher so mäßig. Man merkte überaus deutlich dass sie einen grossen Respekt vor ihm hatte, er wollte das Eis schmelzen, was eher in übermässigem Antatschen ausartete, schwierig. Das Publikum, das für die Grösse der Halle erstaunlich ruhig blieb tat sein Übriges. Die Witze der beiden verpufften leider mehr und mehr im Nirvana.

Aber wie dem auch sei, es ging ja hauptsächlich um die Musik.

1. Marko Strazimiri & Imbro – Leyla

Gleich beim ersten Auftritt wurde die Messlatte sehr hoch gelegt. Eine sehr starke Balkanballade die wie beim Auftritt von Hari Mata Hari (2006, 3. Platz) einer Frau namens Leyla gewidmet wurde. Obwohl nur ein kleiner Unterschied bei der Schreibweise war der eben genannte Song natürlich um Längen besser. Aber für das kleine Land doch sehr ordentlich. Marko, dessen Friseur man ins Straflager schicken sollte, ist vor allem für seine Kinderlieder bzw. Songs für ein eher jugendlicheres Publikum in Albanien bekannt. Begleitet wurde er von einem Monchichi Bärchen mit Schlappohren. Sehr nett anzuhören und anzusehen. Leider Begann hier der Song mit nicht funktionierendem Mikro, weshalb die beiden später noch einmal auf die Bühne durften.

2. Gjerkj Leka – Një ditë tjetër

Ich weiss ja, dass es in Albanien ähnlich wie in Portugal manchmal eher spezielle Songs gibt. Diese gewinnen meist nicht, aber müssen wohl vorhanden sein. Sie sind es aber, die dem Festival eine unglaubliche Staubschicht verpassen. Die Begleitung sämtlicher Songs durch ein Orchester tut sein Übriges. Gesang, der sich mit Sprechgesang abwechselt erscheint mir immer so, als ob der Interpret lieber ein Buch schreiben sollte oder als Vorleser sein Brot verdienen sollte. Alles in Allem sehr schwere Kost, null Wiedererkennungswert, durchaus geeignet für ein Liedfestival aber ungeeignet für den ESC. Das ist halt das Problem, wenn beide Zuschauertypen befriedigt werden sollen.

3. Elton Deda – Qetësisht

Eine weitere Stilrichtung, die mir die Langeweile aus den Ohren zieht sind swingende Songs. Leute, Swing ist nichts was man 2018 auf einem Festival hören möchte. Die swinging Sixties sind bereits 60 Jahre vorbei und das ist auch ganz gut so. Auch hier wurde die Stauballergie förmlich vor dem Fernseher ausgelöst. Liebe Albaner, wenn ihr das Festival modernisieren wollt, dann fängt bitte mit den Songs an. Übrigens bekam Elton von mir den virtuellen Preis für das schnellste Verlassen der Bühne – kurios.

4. Eranda Libohova – 100 pyetje

Zu Beginn des Songs wunderte ich mich etwas wie leise die Sängerin war. Nach ein paar Sekunden wurde nun aber sehr deutlich dass ihr Mikrophon nicht richtig funktionierte. Was bei Leyla nach ein paar Sekunden noch korrigiert wurde, hielt man hier aber nicht für nötig, sie durfte ja zwangsläufig am Ende auch noch einmal singen, also warum korrigieren? Das schien mir jetzt doch ziemlich unprofessionell für so eine Show zu sein. Ein sehr kurioser Auftritt, der seinen Höhepunkt erreichte als der Hintergrundchor, der offensichtlich aus einem Mann und einer Frau bestand, die Sängerin quasi niederbrüllte. Die drei Fragezeichen auf der Videowall sprachen mir aus der Seele. Jetzt folgte eine längere Werbepause, wohl um die nicht richtig funktionierende Technik wieder zum Laufen zu bringen.

5. Jonida Maliqi – Ktheju tokës
Bedingt durch die längere Pause verpasste ich dann auch promt den Auftritt von Jonida. Böse Falle kann ich nur sagen. Vielleicht hätte ich vorher mal lesen sollen wann so die Favoriten kommen. Nachdem alle Songs durch waren, schaute ich mir dann ihre Auftritte vom ersten und zweiten Semi an und war angenehm überrascht über den Ohrwurmcharakter der tragenden Popballade.

6. Eliza Hoxha – Peng

Zuerst dachte ich dass sich Eranda umgezogen und ihre Haarfarbe geändert hat, um jetzt ihren zweiten Anlauf, ihren Song zu präsentieren, nehmen würde aber wie ich dann später merkte ist so ein etwas längerer Pagenschnitt gerade in Albanien total hipp. Der Song war gar nicht mal so schlecht. Der Refrain bestand wohl auch nur aus einem Wort: Peng. Je länger der Song andauerte, desto repetiver wurde er. Das war auch am gestrigen Abend ein sehr deutliches Merkmal fast aller Songs. Sie wiederholen hörbare Abschnitte bis zu Exzess, wohl um bei den Zuschauern bzw. Jury im Ohr zu bleiben. Frei nach dem Motto: In your face!

7. Orgesa Zaimi – Hije

Orgesa trat mit einer Mireille Mathieu Gedächtnisfrisur im Glitzerblazer und fingerlosen Handschuhen auf. Was man bei Männern öfter hört, bei Frauen aber wohl eher verpönt ist, ist der ständige Wechsel von Kopf auf Bruststimme. Bis zum Exzess hörten wir dies beim ESC zuletzt von Jaques Houdek (2017, 13. Platz). Die tiefere Bruststimme intonierte den rockigeren Teil des Songs, die höhere Kopfstimmer eher die Popelemente. Interessante Kombination. Eher nicht passend für den ESC.

8. Bojken Lako – Jeto jetën

Selten hat man im Einspieler mehr Zigarettenrauch aus einem Mund kommen sehen als hier. War das noch eine Zigarette oder schon ein Joint? Auf der Bühne gab er sich deutlich braver als im Einspieler. Hier hatte er die Haare glatt nach hinten gegelt und war ordentlich angezogen. Gar nicht mal so unattraktiv. Mit geschlossenen Augen, träumerisch die Lippen ganz nah am Mikro ( ähem etwas unanständig will ich meinen) nuschelte er seinen Song vor sich hin. Ein wirklich schöner Song, der es mit Sicherheit in meine Arbeisplaylist schafft, aber eben nicht für den ESC geeignet ist. Ein paar schiefe Töne gab es auch aber da könnte man gut drüber hinweghören.

9. Soni Malaj – Më e fortë

Mein erster Gedanke war, dass sich Eleni nun in den albanischen Vorentscheid geschmuggelt hätte. Ähnlich poppig und ähnlich billige uptempo Nummer, zumindest fast. Denn der Song kam trotz guten Teilen einfach nicht aus dem Quark. Man hatte so den Eindruck der Komponist hatte nach dem ersten Refrain keinen Bock mehr und wiederholte einfach alles x-Mal. Wird das Festival jetzt etwa besser?

10. Artemisa Mithi & Febi Shkurti – Dua ta besoj

Der nächste Titel war ein Duett zwischen einer Ivea Zasimauskaite lookalike und einem Schnuckirapper. Komischerweise stimmte hier beim Auftritt rein gar nichts. Sie standen nebeneinander und der Funken wollte einfach nicht überspringen. Sie machte einen eher unsicheren Eindruck, er schaute öfter zu ihr, anscheinend wollte er sicher gehen dass sie noch da war? Zu guter Letzt grabschte er nach ihrer Hand, was sie eher abwesend geschehen ließ. Eigentlich ein guter Song. Die Präsentation war, sagen wir mal, schwierig.

11. Dilan Reka – Karma

Zuerst dachte ich: OMG, orangene 70er Jahre Pornobrille, karierter auftragender Anzug und lila Fliege, was ist das denn? Als Dilan dann anfing zu singen konnte ich mir den Song sehr schnell schön hören. Der Uptempo-Refrain und die langsameren Strophen waren, eine bessere Intonierung vorausgesetzt, sehr ESC-tauglich. Das dachte wohl auch das Publikum, denn sie applaudierten außergewöhnlich lange. Dies führte dazu, dass der Sänger unter debilen Lachen der Moderatorin erneut auf die Bühne kam um dem Publikum nochmals zu danken. Ja mit dem Song könnte ich leben, ein paar Änderungen sollte es aber schon noch geben.

12. Alar Band – Dashuria nuk mjafton

Dass es sich hier um eine Band handelte war mir gar nicht von Anfang an klar. Ich dachte nur die ganze Zeit: Wer hat denn dem armen Kerl so viel Mascara auf die Wimpern geschmiert? Nun ja erst auf den zweiten Blick erkannte ich dass es sich bei dem Song mit dem eigentlich schnuckeligen Sänger (hatte ich schon über das Mascara gesprochen?) Um eine Balkanpolka handelte. Ich war nun etwas zwiegespalten, endlich ein flotterer Song aber Polka??? Schwierig.

13. Lidia Lufi – Rrëfehem

Zwei Extreme konnte ich bei diesem Song beobachten. Einerseits gab es gewaltiges, an Startnummer 8 erinnerndes Genuschel, nur um dann in ein tragisches lautstark intoniertes Gejammer überzugehen. Wie man sich nur so nen Wolf singen kann. Lahm und Laut beschreiben den Titel noch am Besten. Auch hier gab es einen netten Abgang, denn sie bekam beim Abgang von der Bühne die Blumen quasi in den Arm geschmissen.

14. Klinti Çollaku – Me jetë

Zum Abschluss sehen wir nochmal einen Mann, zumindest einen angehenden. Der Song ist eine langsame Schmachtballade. An sich gut anzuhören und zu sehen, wenngleich er etwas bieder wirkt. Nein, nur weil es ein Liederfest ist, braucht man sich nicht in einen Anzug zu quetschen. Der Song könnte aber trotzdem zum Geheimfavorit avancieren, und er wäre es sicher auch geworden, wenn es ein Televoting gegeben hätte.

Nachdem ich jetzt die Nummer 5 noch nachgeholt hatte, überlegte ich welche Songs ich denn gerne in Tel Aviv sehen möchte. Am Anfang der Saison ist man ja eher nicht so kritisch, weil man noch keinen Vergleich hat. Der grosse Wurf, da braucht man kein Prophet sein, ist hier sicherlich nicht dabei. Für Albanien geht es ja auch eher darum sich fürs Finale zu qualifizieren. Ich würde vorhersagen dass das am Besten mit den Nummers 5 und 11 passieren könnte, auch Nummer 9 und 10 mit verbesserten Auftritten hätten hier Chancen.

Mittlerweile war es kurz nach 10 und da dachte ich noch dass die ganze Abstimmung und ein oder zwei Intervallauftritte ja nicht so lange dauern können und um 23 Uhr der Sieger feststeht, zumal die Jury schon am Vortag ihre Stimmen abgegeben hätten (Warum?). Plötzlich bekam Leyla einen Preis, später auch noch Eranda und zwischenzeitlich kam immer wieder die Punktetafel, die mal mehr und mal weniger funktionierte. Dazwischen gab es dann zusätzlich noch Intervallacts. Wie lange kann man eine Show denn noch hinausziehen?

Es ist immer etwas überraschend was eine so genannte Expertenjury so zusammenvoted. Schliesslich handelt es sich bei den Personen ja auch nur um jemanden der seinen eigenen Geschmack hat. Daher war es dann doch etwas überraschend dass die Fanvaforitin Jonida dann schlußendlich ganz oben auf dem Tableau stehen blieb.

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